Hamburgisches Verfassungsgericht

Drei-Prozent-Sperrklausel für die Wahlen zu den Bezirksversammlungen

Das Verfassungsgericht hat heute entschieden, dass die Drei-Prozent-Sperrklausel für die Wahlen zu den Bezirksversammlungen gegen die verfassungsrechtlichen Vorgaben der Wahlgleichheit und der Chancengleichheit der Parteien verstößt.

In dem zugrundeliegenden Wahlprüfungsbeschwerdeverfahren war durch einen Wahlberechtigten die Frage aufgeworfen worden, ob die Wahl vom 20. Februar 2011 zur Bezirksversammlung Eimsbüttel ungültig ist, weil bei ihr eine Drei-Prozent-Sperrklausel zur Anwendung kam.

Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts hält die Entscheidung der Bürgerschaft, an einer - wenn auch von fünf auf drei Prozent abgesenkten - Sperrklausel für die Wahl zu den Bezirksversammlungen festzuhalten, der Nachprüfung nicht stand. Die gesetzlichen Bestimmungen zur Drei-Prozent-Sperrklausel für die Wahl zu den Bezirksversammlungen sind mit der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg unvereinbar und nichtig. Insoweit war die Wahlprüfungsbeschwerde erfolgreich.

Die Sperrklausel bewirkt eine Ungleichgewichtung der Wählerstimmen sowie eine Beeinträchtigung der Chancengleichheit der Parteien. Diejenigen Wählerstimmen, welche für Parteien oder Wählervereinigungen abgegeben worden sind, die mindestens drei Prozent der Stimmen erhalten haben, haben unmittelbaren Einfluss auf die Sitzverteilung in der Bezirksversammlung. Dagegen bleiben diejenigen Wählerstimmen, die für Parteien oder Wählervereinigungen abgegeben worden sind, die an der Sperrklausel gescheitert sind, ohne Erfolg. Dieser Eingriff in das Recht auf Wahlgleichheit und Chancengleichheit ist für die Wahl zu den Bezirksversammlungen nicht gerechtfertigt.

Die Einschätzung der Bürgerschaft als Gesetzgeber, dass eine Sperrklausel erforderlich sei, um eine zu erwartende Funktionsstörung der Bezirksversammlungen zu verhindern, ist nicht tragfähig. Denn es ist offen, ob eine ohne Sperrklausel zu erwartende weitergehende Aufgliederung des politischen Spektrums mit einiger Wahrscheinlichkeit zu relevanten Funktionsbeeinträchtigungen oder gar Funktionsstörungen der Bezirksversammlungen führen wird. Es sind keine ausreichenden tatsächlichen Grundlagen für die Annahme ersichtlich, dass der Eintritt von zersplitterungsbedingten Funktionsbeeinträchtigungen, etwa instabilen Mehrheitsverhältnissen, ohne Sperrklausel überhaupt wahrscheinlich ist. Es liegen auch sonst keine Hinweise vor, die es ermöglichen, die Wahrscheinlichkeit, dass es zu relevanten Funktionsbeeinträchtigungen oder gar Funktionsstörungen der Bezirksversammlungen kommen wird, verlässlich abzuschätzen. Der erhebliche Eingriff in die Wahlgleichheit und in die Chancengleichheit der Parteien, der mit einer Sperrklausel selbst in der auf drei Prozent abgesenkten Form noch verbunden ist, ist bei dieser Sachlage nicht zu rechtfertigen. Diese Rechte haben hohes Gewicht. Weniger gewichtig sind etwaige Funktionsbeeinträchtigungen der Bezirksversammlungen. Negativen Folgewirkungen einer etwaigen politischen Zersplitterung kann durch vorhandene Instrumentarien wie z.B. Fachanweisungen und Globalrichtlinien oder durch die Änderung des Zuständigkeitszuschnitts der Bezirksämter begegnet werden. Anders als Gemeinden ist ihnen ein bestimmter Aufgabenbereich nicht garantiert. Bezirksversammlungen sind nur Teil der Verwaltung und deshalb weniger als gesetzgeberisch tätige Parlamente auf stabile Mehrheiten angewiesen. Sollte es tatsächlich zu zersplitterungsbedingten Funktionsstörungen kommen, kann der Gesetzgeber, also die Bürgerschaft, ggf. durch Wiedereinführung einer Sperrklausel Abhilfe schaffen.

Im Übrigen blieb die Wahlprüfungsbeschwerde erfolglos. Insbesondere ist die Wahl zur Bezirksversammlung Eimsbüttel vom 20. Februar 2011 trotz der Verfassungswidrigkeit der Sperrklausel nicht teilweise ungültig. Das Wahlergebnis ist deshalb auch nicht neu festzustellen. Denn der Bezirksversammlung Eimsbüttel fehlt in der gegenwärtigen Zusammensetzung nicht die grundsätzliche demokratische Legitimation, weil sich der Wahlfehler nicht in unerträglicher Weise ausgewirkt hat.