Hamburgisches Verfassungsgericht

Normauslegungsantrag

Das Verfassungsgericht hat heute entschieden, dass eine Wahl durch die Bürgerschaft nicht ungültig ist, wenn die Wahlvorlage zwar mit Zustimmung von zwei Dritteln der Abgeordneten, aber ohne Einvernehmen mit dem Ältestenrat als Erweiterung der Tagesordnung erst während der entscheidenden Sitzung in die Bürgerschaft eingebracht wird.

In dem zugrundeliegenden Normauslegungsverfahren waren durch Abgeordnete der Bürgerschaft dem Verfassungsgericht Vorschriften der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg und der Geschäftsordnung der Bürgerschaft zur Auslegung vorgelegt worden, die das Wahlverfahren in der Bürgerschaft betreffen. Anlass war die Wahl des Rechnungshofpräsidenten durch die Bürgerschaft am 9. Mai 2012.

Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts sind die vorgelegten Vorschriften nicht so auszulegen, wie es die antragstellenden Abgeordneten begehrten. Denn die sachgerechte Aufgabenerfüllung der Abgeordneten wird nicht notwendig beeinträchtigt, wenn zwar mit Zweidrittelmehrheit, jedoch ohne Einvernehmen mit dem Ältestenrat eine Wahlvorlage während laufender Sitzung nachträglich auf die Tagesordnung gesetzt wird. Die Verfassung erfordert kein Einvernehmen mit dem Ältestenrat, um die Tagesordnung einer laufenden Sitzung nachträglich zu ändern. Der Ältestenrat ist schon nicht – anders als die Bürgerschaft und andere ihrer Organe und Untergliederungen sowie der einzelne Abgeordnete – mit Verfassungsrang versehen.

Die in der Geschäftsordnung der Bürgerschaft getroffene Entscheidung, über nachträgliche auch inhaltliche Änderungen der Tagesordnung die Bürgerschaft selbst entscheiden zu lassen, ist zudem nicht ein von vornherein untaugliches Mittel, die Abgeordnetenrechte zu wahren. Vielmehr entspricht es der Rolle der Bürgerschaft als „Herrin der Geschäftsordnung", dass sie selbst die Entscheidung über die Tagesordnung trifft und dies nicht einem anderen Gremium überlässt.