Hamburgisches Verfassungsgericht

HVerfG 13/2020

Wahlprüfungsbeschwerde gegen die Gültigkeit der Wahl zur 22. Hamburgischen Bürgerschaft

HVerfG 13/20

Leitsätze

  1. Etwaige formelle Mängel im Verfahren der Wahlprüfung durch die Bürgerschaft können nicht zur Annahme eines die Gültigkeit der Wahl berührenden Wahlfehlers im Sinne von § 5 WahlprüfG führen.
  2. Unterschiedliche „faktische Sperrklauseln“ für das Erreichen eines sicheren Mandats (sog. Maximalhürden) in Mehrmandatswahlkreisen mit unterschiedlicher Anzahl zu vergebender Mandate sind nicht geeignet, eine Beeinträchtigung der Gleichheit der Wahl gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 HV zu begründen. Die Wahlgleichheit soll zwar grundsätzlich gleiche rechtliche Erfolgschancen für die Stimmen aller Wahlberechtigten gewährleisten. Hieraus folgt aber nicht die Notwendigkeit, gleiche Bedingungen dafür zu schaffen, dass eine abgegebene Stimme mit Sicherheit zur Zuteilung eines Mandats führen wird.
  3. Unterstellt, der Grundsatz der Gleichheit der Wahl gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 HV gewährleistete auch die Gleichheit der Bedingungen dafür, dass eine abgegebene Stimme mit Sicherheit zur Zuteilung eines Mandats führen kann, wäre die durch die Einrichtung von Mehrmandatswahlkreisen mit unterschiedlicher Anzahl zu vergebender Mandate – und damit unterschiedlichen sog. Maximalhürden – bewirkte Beeinträchtigung der Wahlgleichheit verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
  4. Die sog. Heilungsregelung in § 29 Abs. 1 Satz 5 BüWG beeinträchtigt den Grundsatz der Gleichheit der Wahl nicht. Die Regelung bewirkt nicht etwa, dass auch ungültige Stimmen bei der Sitzverteilung berücksichtigt werden. Vielmehr erweitert die Regelung die Möglichkeiten der Wahlberechtigten, fünf – gültige – Stimmen für eine Landesliste zu vergeben, damit diese bei der Sitzverteilung auf die jeweiligen Landeslisten gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 BüWG Berücksichtigung finden.
  5. Die auch der Bürgerschaft obliegende Aufgabe der Staatsleitung schließt als integraler Bestandteil die Befugnis zur Informations- und Öffentlichkeitsarbeit ein. Die Zulässigkeit der Öffentlichkeitsarbeit der Staatsorgane endet dort, wo Werbung für oder Einflussnahme gegen einzelne im politischen Wettbewerb stehende Parteien oder Personen beginnt.
  6. Für die dem Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl unterliegende Ermittlung des Wahlergebnisses sind allein die abgegebenen Stimmzettel maßgebend, deren Anzahl festzustellen ist und die auszuzählen sind. Auf die bei der Wahlhandlung nicht benutzten Stimmzettel kommt es für die Feststellung des Wahlergebnisses hingegen nicht an.