Hamburgisches Verfassungsgericht

HVerfG 2/2022

Entscheidung über AfD-Antrag zu Beschlussfassung im Verfassungs- und Bezirksausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft

(HVerfG 2/22)

 

HVerfG 2/22

Leitsätze

  1. Das freie Mandat gemäß Art. 7 Abs. 1 HV gewährleistet die Freiheit der Abgeordneten in der Ausübung ihrer Mandate, die Gleichheit in ihrem Status als Vertreter des ganzen Volkes und das Recht auf gleiche Teilhabe am Prozess der politischen Willensbildung.
  2. Die aus dem freien Mandat folgende Mitwirkungsbefugnis an der parlamentarischen Willensbildung umfasst nicht nur das Recht auf Beteiligung an der Beschlussfassung, sondern auch an deren Vorbereitung. Dies erfordert, dass die Abgeordneten hinreichend über die in der Bürgerschaft sowie in ihren Ausschüssen zu behandelnden Angelegenheiten informiert sind und nicht unvorbereitet in eine Abstimmung gedrängt werden.
  3. Das aus Art. 7 Abs. 1 HV abgeleitete Recht auf gleichberechtigte Teilhabe am Prozess der politischen Willensbildung durch hinreichende Information über die in der Bürgerschaft sowie in ihren Ausschüssen zu behandelnden Angelegenheiten steht originär den Abgeordneten zu, die zur Geltendmachung dieses Rechts – im Unterschied zum Recht auf Gleichbehandlung bei Verteilungsentscheidungen im innerparlamentarischen Raum – nicht ihrer Fraktion bedürfen.
  4. Den Prüfungsmaßstab des Hamburgischen Verfassungsgerichts im Organstreitverfahren bilden allein die Bestimmungen der Hamburgischen Verfassung, nicht hingegen die lediglich in der Geschäftsordnung der Bürgerschaft nach Art. 18 Abs. 1 Satz 2 HV getroffenen Regelungen.
  5. Sofern Bestimmungen der Geschäftsordnung der nicht einvernehmlichen Abstimmung unter dem Tagesordnungspunkt „Verschiedenes“, auf die die Abgeordneten hinreichend vorbereitet sind, entgegenständen, ginge ihre Reichweite über den verfassungsrechtlich gemäß Art. 7 Abs. 1 HV gebotenen Schutz der Abgeordnetenrechte hinaus.